„Die Welt ist meine Vorstellung – dies ist eine Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt“, so Schopenhauer in seinem Werk „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Es ist allgemein bekannt, dass die Philosophie von Schopenhauer und Nietzsche, auch Wagners Musik und die deutsche Romantik auf Thomas Manns Weltanschauung und Ästhetik großen Einfluss geübt hatten.
In Thomas Manns „Zauberberg“ nimmt eine besondere Stelle die Musik ein, besonders Franz Schuberts „Lindenbaum“. Der Protagonist des Romans Hans Castorp hört der klassischen Musik zu und wird von ihrer Schönheit und dem Idealismus begeistert, weil er in der Musik Selbstvergessenheit und Nichtbeweglichkeit findet. Es ist zu erwähnen, dass „Lindenbaum“ Lieblingslied von Thomas Mann war. „Lindenbaum“ gehört zu einem Liederzyklus von Franz Schubert auf die Gedichte von Wilhelm Müller. Die zentrale Figur in den Gedichten ist Gestalt des Reisenden, der sich von den Menschen entfernen will, er reist durch den unbevölkerten Raum, fällt in den Schnee nieder. Vor dem Reisenden liegt ein langer Weg, von dem noch niemand zurückgekehrt ist.
Der Lindenbaum hat in der Symbolik und Metaphorik des Baums eine spezielle Bedeutung: Die Linde galt als Baum der Deutschen und insbesondere der deutschen Romantik. Im Kontext verweist „die Ruhe“ auf die ewige Ruhe, d. h. auf den Tod. So interpretiert Thomas Mann den Inhalt des Liedestextes und der Musik von Franz Schubert in seinem Werk und versucht Hans Castorps besonderes Verhältnis zu Schuberts Lied zu erklären: Einen Grund dafür findet er in der Spiritualität. Die Welt des Liedes hat nach dem Schriftsteller eine „...allgemeine geistige Haltung“. Das Hauptthema des Romans ist das Problem des Lebens und des Todes, das Verhältnis zwischen Gesundheit und Krankheit. Eine besondere Stellung in der Lösung des Problems, das vor Hans Castorp entstanden ist, nimmt die Wahrnehmung der Musik ein, nach der er zu denken und zu analysieren beginnt. Schuberts „Lindenbaum“ zwingt ihn, sich in das Problem zu vertiefen, das „Sympathie mit dem Tode“ heißt und die Widerspiegelung der pessimistischen Philosophie von Schopenhauer ist. Hans Castorps geistige Sympathie kommt im Roman von Anfang an als die Schopenhauersche Sympathie mit dem Tode auf, die in ihrer Folge Ergebnisse der Finsternis hat. In der Sympathie mit dem Tode sammeln sich Subjektivismus, Egozentrismus, ästhetische Existenz in der isolierten Welt, Kult des Sterbens und der Krankheit. Im Roman gibt es eine Vielfalt der Tendenzen der romantischen Kunst und der Musikphilosophie. Castorps geistige Sympathie mit dem Tode ist eine ganz adäquate Widerspiegelung des Schopenhauerschen Verständnis der Kunst: die Selbstvergessenheit des Menschen durch die Kunst. Castorps Logik entspricht der Schopenhauerschen Suche nach dem Ausgang von den Schwierigkeiten des Lebens: Nach Schopenhauer ist der Ausgang aus dieser schweren Lage des Menschen nur der Tod, oder die Selbstvergessenheit in der Kunst. Der Protagonist aber beginnt daran zu zweifeln und kommt auf den Gedanken, dass er im Verhältnis zu diesem „Zauber“ misstrauisch sein soll und sich selbst überwinden muss. Das ist das Wichtigste in der geistigen Evolution des Helden. Sich selbst zu überwinden bedeutet die Überwindung der Sympathie mit dem Tode und des Geisteszaubers. Die positive Verwandlung des Helden ist für den Schriftsteller auch sehr wichtig: Hans Castorp (und jeder Mensch) soll zum Leben zurückkehren. Im „Zauberberg“ kommt es schon zur kritischen Entlarvung des metaphysischen Todesgedanken als einer „deformation humaine“: