Deutsch-Georgische Beziehungen und die Europäisierung des Georgischen Rechtssystems

TSU, Maro-Makaschwili-Lesesaal - 17.35-18.00

Seit dem Beginn der 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat in Georgien die Transformation des Rechtssystems stattgefunden. Im Prozess der rechtlichen Reformen und Entwicklungen haben die deutsch-georgische Beziehungen eine wichtige Rolle gespielt, was durch die Teilnahme der deutschen und georgischen Juristen bei der Durchführung von mehreren wichtigen Projekten zum Ausdruck gekommen ist. Insbesondere in den letzten 25 Jahren hat die sog. deutsche wisschenschaftliche und kulturelle Intervention in Georgien ihre Konsequenzen gehabt. Mehrere Studenten, Wissenschaftler und Praktiker haben mithilfe von Bildungs- und Forschungsstipendien des DAAD, der Alexander von Humboldt Stiftung u.a. deutschen Institutionen gute theoretische und praktische Erfahrungen in Deutschland gesammelt, dessen Folgen schon bei der wissenschaftlichen, pädagogischen und praktischen Tätigkeit der georgischen Juristen zum Ausdruck gekommen ist und auch in Zukunft weiter ersichtlich sein wird.

Im Vortrag wird besondere Aufmerksamkeit der deutsch-georgischen Zusammenarbeit im Bereich der Strafrechtswissenschaft gewidmet. Georgische Strafrechtsprofessoren, insbesondere Tinatin Tsereteli und Otar Gamkrelidze haben in den 50-er und 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts aktiv die westdeutsche Strafrechtsliteratur bearbeitet, was später auf ihre wisschenschaftliche Arbeiten großen Einfluss hatte. Die Zusammenarbeit zwischen den georgischen und wesdeutschen Strafrechtsprofessoren hat ab Beginn der 80-er Jahren des letzten Jahrunderts, schon in der sog. Zeit der Stagnation begonnen. Genau in dieser Zeit wurden die deutsch-sowjetische wissenschafliche Kolloquien in Strafrecht und Kriminologie ins Leben gerufen.

Das war ein Gespräch zwischen dem Freiburger Max-Planck-Institut und der in der damaligen Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion tätigen Strafrechtswissenschaftler, das trotz des sog. Kalten Krieges stattgefunden hat. Dies hat grundlegendes Fundament für die aktive deutsch-georgische Zusammenarbeit  im Bereich der Strafrechtswissenschaft gelegt.

Mehrere georgische Wissenschaftler haben wisschenschaftliche Kontakte mit dem weltweit wohlbekannten und anerkannten Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafecht geknüpft. Das zweite Kolloquium des deutsch-sowjetischen Strafrechts und der Kriminoligie hat im Herbst 1982 in Georgien stattgefunden.

Auch später wurde die deutsch-georgische Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts fortgesetzt. Ein Beispiel dieser Zusammenarbeit sind die von den georgischen Strafrechtsprofessoren mit Unterstützung der Volkswagen-Stiftung durchgeführten wissenschaftlichen Projekte in Zusammenarbeit mit der Humboldt Universität zu Berlin und Friedrich Schiller Universität Jena. Es wurde ebenfalls eine gute Kooperation mit der juristischen Fakultät der Universität Köln entwickelt.

Die Konsequenz der deutsch-georgischen Zusammenarbeit ist es, dass seit 1997 bis heute mehrere georgische Juristen in den deutschen Universitäten promoviert und den Doktortitel erworben haben. In den letzten Jahren haben in Tbilisi zwei Tagungen der Strafrechtswissenschaftler mit der Teilnahme der georgischen und deutschen Strafrechtsprofessoren stattgefunden. Seit 2016 wird regelmäßig die Deutsch-Georgische Strafrechtszeitschrift veröffentlicht.

Unter dem Einfluss des deutschen Strafrechts wurde das georgische materielle Strafrecht auf das sog. dreistufige Straftatssystem aufgebaut, das ab dem Ende des 19. Jahrhunderts ihre Wurzeln im deutschen klassischen Strafrechtssystem gefunden hat (Liszt,  Binding, Beling). Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich das neoklassische System entwickelt, was auch auf die georgische Strafrechtswissenschaft Einfluss gefunden hat. Ab den 50-er Jahren wurde die finale Strafrechtsschule entwickelt, die von Hans Welzel gegründet wurde, der in der georgischen Strafrechtstheorie wohl bekannt ist. Die deutsche Strafrechtsdogmatik und Praxis haben eine wichtige Rolle auf die Bildung des modernen georgischen Strafrechtssystems gespielt. Aus diesem Hintergrund wurde das moderne georgische Strafrecht unter Einfuss des deutschen Strafrechts weiterentwickelt.

Es ist nicht überraschend, dass im Prozess der Europäisierung des georgischen Rechts die deutsche Strafrechtsdogmatik und Strafrechtspraxis einen großen Einfluss gehabt haben, zumal dass vom deutschen Strafrecht nicht nur mehrere nationale Strafrechtssysteme der Welt, sondern auch das materielle Völkerstrafrecht und die Praxis des Internationalen Strafgerichtshofes beinflusst werden.

Die Europäisierung des georgischen Rechtsystems unter Einfluß des deutschen Rechts und die deutsch-georgische Zusammenarbeit werden in Zukunft mehr Perspektiven zur weiteren Vertiefung haben.