Max Hermann-Neiße liest Grigol Robakidses Roman Megi, ein georgisches Mädchen für die Frankfurter Zeitung

TSU, 212 - 14.45-15.10

Grigol Robakidse gehört in den 1930er Jahren zu den erfolgreichsten fremdsprachigen Autoren in Deutschland. Seine Romane werden nicht nur unter seiner Mitarbeit ins Deutsche übersetzt (Megi), sondern erscheinen in mehreren Auflagen und werden von der Literaturkritik gefeiert oder zumindest mit Interesse als exotische Bereicherung der deutschsprachigen Literatur wahrgenommen.

So liest auch Max Herrmann-Neiße in einer seiner letzten Rezensionen für die Frankfurter Zeitung vor seinem überstürzten Aufbruch ins Exil nach dem Reichstagsbrand gerade Robakidses Megi  unter dem Titel Ein georgischer Roman und bescheinigt dem Roman insbesondere einen „folkloristischen Reiz“: „Die Darstellung einer unbekannten bizarren Region interessiert immer, und es bleibt unkontrollierbar, was gut gesehene Wirklichkeit, was ein Spiel der Phantasie oder ein Arrangement ist.“  Neben dem Hinweis an den Leser, den Roman nicht als realistischen, sondern eher als phantastischen zu lesen, weist Max Herrmann-Neiße darauf hin, dass die Faszination des Romans für das deutsche Publikum wohl in dem „Kontrast“ von „Primitivität und Bildung“ liege, der dem „Misch- und Uebergangs-Zustand kaukasischer Verhältnisse“ geschuldet sei.

Max Herrmann-Neißes Rezension soll in dem Vortrag einer Relektüre unterzogen werden, der die genannten Beobachtungen zum Phantastisch-Unheimlichen im Zusammenhang mit seinem Verweis auf die der romantischen Tradition verpflichteten Rahmenhandlung und die These von der ‚Misch- und Übergangsliteratur‘ aufgreift, konsequent in Bezug auf den unzuverlässigen Erzähler, Doppelgängerfiguren und Wiederholungsmotive u.a. weiterverfolgt und Robakidses Megi als unheimlich-phantastischen Roman zu lesen versucht, dessen unheimliche Wirkung durch die Fremdheit seiner Aneignung und eklektischen Mischung europäischer und außereuropäischer Traditionen noch potenziert wird. Auf diesem Hintergrund wird der Roman auch als ein autopoiëtischer über Wesen und  Bedeutung, Formen und Funktionen des Erzählens lesbar.