Die moderne Gesellschaft ist durch die Globalisierung und dadurch ausgelöste Pluralisierung gekennzeichnet. Auf Grund dieser Prozessen nehmen die ethnische und kulturell-religiöse Heterogenität der Gesellschaften und die Kontakte zwischen Menschen unterschiedlicher Werthaltungen zu. „Im Prozeß der Wahrnehmung anderer Sprachen und Kulturen ist diese Subjekt-Objekt-Beziehung immer auch die des Verhältnisses zwischen dem Eigenem und dem Fremden. Analogiedenken und schockartige Fremdheitserfahrungen wechseln miteinander ab. ... Verstehen und sich Verständlichmachen verweisen sich also als ein ständiger Prozeß des Vergleichens, in dem die eigene Situation und ihre kulturellen Bedingtheiten ebenso eingehen wie Erfahrungen und Informationen über die fremde Kultur“ (Picht 1989, 57).
Das Fremde interpretiert man im Rahmen der individuellen und kulturellen Erinnerungen. Situation der Begegnung mit dem Fremden kann verschiedene Formen annehmen: ,,Eigenes begegnet uns im Fremden und Fremdes im Eigenen“(Waldenfels) bis zu einer extremen Variante: wenn ,,Heimisches“ zum ,,Unheimischen“ und ,,Un-eigenes“ zum ,,Er-eigenen“ wird. Die gesellschaftlich-kulturelle, gruppenspezifische und naturhaft-körperliche Merkmale der Fremdheit/Andersheit sind konstruierende Merkmale des Fremden. Die Differenz zwischen Fremdem und Nicht-Fremdem lässt sich nicht exakt von außen bestimmen. Fremdheit lässt sich nicht auf eine konsistente Definition reduzieren, vielmehr handelt es sich um ein polysemisches Phänomen. Ist Fremdes aber erst bestimmt, ist es nicht mehr fremd, sondern auf die eine oder andere Weise normalisiert und angeeignet. Darüber hinaus gilt uns Fremdheit als situatives Phänomen. Der Begriff des Fremden kann nach verschiedenen Dimensionen behandelt werden: nach konzeptuellen Bereichen, nach thematischen Bereichen und onomasiologisch nach Arxilexemen der thematischen Sequenzen und.
Das Wortfeld des Fremden im Deutschen ist durch die Polysemie des Adjektivs fremd geprägt, die auf räumliche (das Entfernte), possessive (das Nichteigene) und kognitive (das Unbekannte) Verhältnisse hin zu verstehen ist. Auf der kognitiven Bedeutungsvariante beruht wohl die emotional geprägte Variante des Ungewohnten, Seltsamen, manchmal sogar Unheimlichen. Dazu gibt es im Deutschen zahlreiche Wortbildungspotenzen: die Fremde, das Fremde, der/die Fremde, Fremdheit, Fremdling, fremdartig, fremdländisch, Fremdsprache, die mit verschiedenen Aspekten des Fremden verbunden sein konnen. Nur auf das Territoriale wird Ausland (ausländisch, Ausländer), als terra incognita, bezogen. Neben der Opposition fremd – vertraut steht die Opposition fremd – eigen. Bezeichnen wir etwas als fremd, so sagen wir entweder, daß wir es nicht kennen, daß es uns nicht vertraut ist, oder daß es uns nicht zu eigen ist bzw. nicht zu uns gehört. Nach Waldenfels sind drei Aspekte, die das Fremde auszeichnen, zu nennen: den Aspekt des Ortes, des Besitzers und der Art. Allgemein, die Oppositionspaare _ ich-du, er-sie, schwarz-weiß, hell-dunkel, warm-kalt, mein-dein, klassisch-modern, alt-neu, Inland-Ausland, deutsch-georgisch...bilden den Bestandteil des Konzeptes FREMD, die in diesem Beitrag geschildert werden.
Ist es möglich Fremdes zu verstehen? Wir verstehen Fremdes am ehesten, indem wir es nicht verstehen. Es ist wichtig, wie kooperativ sich das Eigene und das Fremde zueinander im Konflikt befinden.Die Wahrnehmung des Anderen und des Fremden gehört zu den zentralen Fragen der Literatur- und Kulturtexte, die gegenwärtig problembezogen gedeutet und im Kontext verschiedener diskursiver Praktiken erörtert werden. Die Trialektik des Eigenen, des Anderen und des Fremden impliziert einerseits die Annahme des Fremden, andererseits erscheint die Überschreitung der Eigenvorstellungen und Klischees als notwendige Grundbedingung für das Verständnis anderer Kulturen und Werte. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Beitrag zum Ziel, verschiedene Facetten der Fremdheit Bezug auf Kulturspezifische Konzeptualisierungen des Fremden inter-/intralingual zu beleuchten.