Den 30 November, 2022

Sektion - 1

TSU, 202 - 14.30-14.45

Eliza Ghazaryan
(Staatliche W. Brjussow-Universität für Sprachen und Sozialwissenschaften Jerewan, Armenien)

Übertragungsprobleme der deutschen Okkasionalismen

Whorfs „Linguistischem Relativitätsprinzip“ zufolge gelangen etliche Menschen, die die gleichen Gegebenheiten betrachten und der gleichen physischen Realität gegenüberstehen, oft nicht zu ein und demselben Weltbild, weil sie verschiedene Sprachen sprechen. Richtet man sich nach dieser Theorie, so wäre eine äquivalente Übersetzung einfach unmöglich.
In der Übersetzungswissenschaft geht man aber davon aus, dass alles oder fast alles übersetzbar bzw. übertragbar ist. Die Frage ist nur, wie man dabei Äquivalenz im Sinne der Gleichwertigkeit erreichen kann. Wenn es sich um Standardtexte (wie etwa Fach- oder Sachtexte) mit „Standard-Begriffen“ handelt, so wird es von dem Übersetzer verlangt, über sehr gutes Wissen von A und B Sprachen, Übersetzungstools und sämtliche Übersetzungsverfahren zu verfügen. Die Aufgabe ist aber viel zu viel komplizierter, wenn der Übersetzer mit literarischen oder politischen Texten zu tun hat, denn diese haben nicht einfach das Ziel der Übergabe von Informationen.  Bei der Übersetzung der Letzteren handelt es sich um äquivalente Wiedergabe sprachlicher Symbole, Implikaturen und metaphorischer Ausdrücke von Idiolekten.  Dabei stößt man im Deutschen häufig auf usuelle und okkasionelle (Ad-hoc-Bildungen) Wortneubildungen, die aus stilistischen oder pragmatischen Gründen zur Bezeichnung eines Gegenstandes, Sachverhaltes oder einer Person entstehen. Im Unterschied zu usuellen Neubildungen werden die Okkasionalismen nur von einem einzigen Sprachverwender gebraucht. Die letzte Behauptung lässt sich aber beim politischen Diskurs bestreiten, denn einer bestimmten sozialpolitischen Lage entsprechend geschöpfte Wortneubildungen finden oft in weiten Kreisen Verwendung. Das kann man am Beispiel von zahlreichen Corona-, Klimawandel- oder auch Gaskriese-Neuwortbildungen zeigen, wie etwa Mundschutz, Mundschutzmoral, Klopapierhysterie, Maskenpflicht, 3-G-Pflicht, 2-G-Regel, Zoomunterricht, Virusangst, Zaubereiministerium, Kommandowirtschaft, DankeRobert, Operetten-Opposition usw.
Der Schwerpunkt dieses Beitrags ist aber nicht die Bildungsgründe oder -Verfahren der deutschen Okkasionalismen, sondern deren Übersetzung ins Armenische. Übersetzungsprobleme entstehen, denn das Armenische ist bezüglich der Wortneubildungen etwas konservativer als das Deutsche. Folglich werden diese Komposita meistens als Umschreibungen ins Armenische übersetzt, wobei die verlustfreie Wiedergabe deren konnotativ-referenziellen, textuellen, stilistischen und pragmatischen Funktion nicht garantiert werden kann.