Den 30 November, 2022

Sektion - 2

TSU, 212 - 15.00-15.15

Yelena Etaryan
(Staatliche W.-Brjussow-Universität für Sprachen und Sozialwissenschaften Jerewan, Armenien)

Das Fakten- und Fiktion-Verhältnis
im Roman von Robert Menasse „Die Hauptstadt“

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Europa-Roman von Robert Menasse, der die Europäische Union erzählt. Für seinen Brüssel-Roman „Die Hauptstadt“ erhielt der Wiener Schriftsteller im Jahre 2017 den Deutschen Buchpreis. Im Jahre 2019 bekam der Autor eine Carl-Zuckmayer-Medaille als Literaturpreis des Landes Rheinland-Pfalz für sein Gesamtwerk als „Meister der Sprache“. In seinem Werk „Die Hauptstadt“ werden das Tun und Treiben in den EU-Institutionen, sprich der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat, sowie die darin agierenden Beamten:innen mit einem Typisierungsversuch vorgestellt. Anhand der dargestellten Figuren gibt der Autor die vorherrschende Atmosphäre hier wieder, und zwar die der Depression, des Hasses, der Wut, der Schwermut, der Temperamentlosigkeit, der Affektarmut, dafür aber der Rationalität, des Pragmatismus und der Effizienz.
Unser Beitrag wird sich hauptsächlich mit der Frage des Fakten- und Fiktion-Verhältnisses im Roman beschäftigen, angefangen vom Skandal um eine falsche Zitatanwendung seitens des Autors im Werk bis hin zu einer Bürokratin-Figur Fenia Xenopoulou, Xeno genannt. Im Mittelpunkt der Analyse wird nämlich eine Romanepisode stehen, wo die Romanfigur Xeno ein Buch liest und dieses rezipiert. Kurz werden wir ebenso die Figur eines Außenstehers (im Sinne von einem, der außerhalb der beschriebenen Institutionen steht), nämlich des Professors Alois Erhart anschneiden, der der Protagonistin Xeno und anderen Beamtenfiguren gegenübergestellt ist. Er ist u. E. kein anderer, als der Alter Ego des Schriftstellers Robert Menasses selbst, der sich mit seinem besagten Roman im Lichte eines Aufklärers, eines um das Projekt Europa besorgten Europäers steht, der den Ausweg aus der Krise, in die die EU aufgrund des Pragmatismus verfallen ist, in der Wiederbelebung des Träumerischen sieht, nämlich in der Wiederkehr von „Träumern und Utopisten“. Eben diese These werden wir im Roman weiterspinnen und kritisch hinterfragen.