Den 30 November, 2022

Sektion - 2

TSU, 212 - 16.30-16.45

Mutlu Er
(Hacettepe Universität Ankara, Türkei)

Orhan Pamuks Roman „Schnee“: Einblick zum politischen
und gesellschaftlichen Umbruch der 90er Jahre in der Türkei

Handlungsort des 2002 erschienen Romans ist die kleine Provinzstadt Kars, die als „Tor“ zum Kaukasus gesehen wird und diverse Kulturen und Religionen beherbergt. Der Protagonist Ka, der aus dem deutschen Exil in die Türkei kommt, wird damit beauftragt, über die Selbstmorde der Frauen in Kars vor Ort zu berichten. Was sich anfänglich als ein Liebesroman kennzeichnet, da Ka seine Ex-Geliebte für einen Neuanfang in Frankfurt überzeugen möchte, übergeht dieser durch Andeutungen auf Konfliktlagen auf eine politische Ebene, die von Melancholie begleitet wird. Nach großen Umwälzungen, verursacht durch den Osmanisch-Russischen Krieg (1877-78), Oblast Kars (1878-1919) und den Militärputschs (1960, 1971 und 1980) bearbeitet Pamuk interne Spannungen in Kars. Begleitet von Themen wie Säkularismus, Religiosität, Nationalismus etc. steht Kars als Mikrokosmos und reflektiert den politischen Umbruch, der sich bis in die Gegenwart durchgezogen hat. Nicht zuletzt ist Pamuks Stellungnahme zur West-Kritik relevant.