Harald Weydt
(Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder), Deutschland)
Die deutsche Sprache und die Wiedervereinigung:
Geopolitik im Brennglas
Die Deutschen haben allen Grund, mit der Wiedervereinigung ihres Landes zufrieden zu sein. – Das ist nicht selbstverständlich. - Einer der wichtigsten Gründe für diesen Erfolg ist dabei wenig bemerkt worden. Er besteht darin, dass die Teilung Deutschlands von Seiten der Alliierten aus West und Ost – falls sie dauerhaft und stabil sein sollte – falsch angelegt war. Das deutsche Sprachgebiet gliedert sich seit über tausend Jahren – als Erbe der römischen Teileroberung, aber spätestens seit dem Beginn der deutschen Lautverschiebung - nach Nord-Süd-Gegensätzen. Man sieht es überall, besonders an der Landkarte der deutschen Dialekte: Oberdeutsch – Mitteldeutsch – Niederdeutsch, an den Landschaften (Alpen – Mittelgebirge – Tiefebene), an den Grundnahrungsmittel (Weizen versus Roggen/Kartoffeln), an der Verteilung der christlichen Glaubensrichtungen (katholisch versus protestantisch) und an zahlreichen kulturellen Phänomenen. Die deutsche Teilung dagegen lief quer zu dieser Struktur, sie trennte Ost und West. Eine Vereinigung eines nördlichen (DDR) und eines südlichen Teils (BRD) wäre erheblich schwerer, wenn nicht unmöglich gewesen.
Wie kam es zu diesem "Fehler"? Neben dem ursprünglichen Frontverlauf kam eine geopolitische Blindheit der Alliierten hinzu: kommunistische Sicht (Ost) auf den Gang der Geschichte versus koloniales Erbe (West).
Daraus öffnen sich Parallelen zur heutigen Weltlage. Sie könnten zum Verständnis gegenwärtiger Konflikte beitragen und zukünftige geopolitische Chancen und Gefahren sichtbar machen.