Den 1 Dezember, 2022

Plenum

TSU, Die Aula - 10.00-10.20

Lado Chanturia
(Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg,
Staatliche Ivane Javakhishvili Universität Tbilissi, Georgien)

Geschichte und Gegenwart der deutsch-georgischen
rechtlichen Zusammenarbeit

Einführung. Die Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit Georgiens im Jahr 1991 brachte einen Prozess der Rechtstransformation mit sich, der die Notwendigkeit einer internationalen juristischen Zusammenarbeit offenbarte. In der Regel nimmt die zu transformierende Rechtsordnung als Vorbild eine entwickelte Rechtsordnung, die über die erforderliche Infrastruktur, wie etwa juristische Literatur, Rechtsprechung, kompetentes Fachpersonal, Institutionen usw. verfügt. Das deutsche Recht hatte in diesem Prozess Vorbildfunktion. Die konkrete Möglichkeit, die Rechtsordnung nach dem deutschen bzw. europäischen Vorbild zu reformieren, entstand zunächst mit der deutsch-georgischen rechtlichen Zusammenarbeit, die im Jahr 1992 begann und mit starker Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wurde und bis 2020 andauerte.
Gesetzgebung. Als Beispiele der nachhaltigen Kooperation lassen sich zahlreiche Gesetze, wie etwa das Gesetz über gewerbliche Unternehmer (1994) oder das Zivilgesetzbuch (1997) nennen, denen neben den deutschen, auch europarechtliche Vorschriften zugrunde lagen.
Juristische Literatur. Das Vorhandensein juristischer Literatur, insbesondere der Kommentarliteratur, hat sich als notwendige Voraussetzung für die wirksame Implementierung neuer Gesetze erwiesen. Die rechtsvergleichenden Abhandlungen spielten dabei eine besondere Rolle und bestätigten die herausragende Bedeutung dieser Forschungsmethode.
Wissenschaftliche Kooperation. Die enge Verbindung des georgischen Rechts zum deutschen Recht drückt sich vor allem in der Rolle aus, die deutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen, Stiftungen wie die Humboldt-Stiftung, die VolkswagenStiftung, die Deutsche Stiftung für internationale Rechtliche Zusammenarbeit (IRZ), aber auch die deutsche Justiz für die neue Generation georgischer Juristen spielten. Sie findet ihren Niederschlag auch in den wissenschaftlichen Publikationen georgischer Juristen, deren Literaturquellen überwiegend in deutscher Sprache verfasst sind. Sie dokumentiert sich auch in der permanent steigenden Zahl der deutschen Promotionen georgischer Juristen, die verschiedene Rechtsgebiete abdecken. Dazu kommen die LL.M. (Legum Magister) - Studiengangabsolventen, die auch Kenntnisse der deutschen Rechtskultur mit sich nach Hause bringen. Besondere Bedeutung kommt den Forschungsaufenthalten georgischer Rechtswissenschaftler in deutschen Forschungsinstituten, wie etwa den Max-Planck-Instituten, zu.
Juristenausbildung und Hospitationen. Die Juristenausbildung ist von herausragender Bedeutung, denn Recht gilt nicht nur als Produkt des Gesetzgebers, sondern auch der Juristenausbildung. Die Einführung des praxisorientierten Studiums und der Falllösungstechnik geht auf die enge deutsch-georgische Zusammenarbeit im Bereich der Rechtsreform zurück und lässt sich als eine Reaktion auf die Erfahrungen der Rechtsentwicklung bezeichnen.
Kooperationsverträge, die zwischen einzelnen Universitäten geschlossen und von verschiedenen akademischen Einrichtungen, wie etwa dem DAAD, finanziell unterstützt werden, ermöglichen die Durchführung gemeinsamer Austauschprogramme. So sieht ein gemeinsames Masterprogramm zwischen der Albertus Magnus Universität zu Köln und der Staatsuniversität Tiflis die Einführung eines Joint Degree (eines doppelten Abschlusses) vor.
Die regelmäßigen Seminare deutscher Juristen in Georgien und die Hospitationen georgischer Juristen in Deutschland, sowie der Einsatz deutscher Lektoren im Unterrichtsprozess an den juristischen Fakultäten in Georgien steigerten den Vorbildcharakter des deutschen bzw. europäischen Rechts.