Konstanze Jungbluth
(Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder), Deutschland)
Konvergenz zwischen typologisch fern liegenden Sprachen.
Evidenz aus dem Kaukasus und Westafrika
Die Sprachenvielfalt im Kaukasus begründet die metaphorische Bezeichnung „Berg der Sprachen“ (arab.: Dschabal al-alsun; cf. Al-Mas’udi, 10. Jh.). Die natürliche Abgeschiedenheit im Gebirge hat auch dazu geführt, dass Bevölkerungsgruppen, die an ihren Herkunftsorten bedrängt wurden, hierher migriert sind, wobei sie häufig ihre Sprechweisen bis heute fortgeführt haben. Viele von ihnen leben in kleineren Städten und auf dem Land, wobei die Nachbarschaften selten sprachlich homogen sind. Vielerorts begreifen sich die Siedler als eine entlang religiöser Zugehörigkeit gebildeten Gemeinschaft.
Auch in Westafrika, zum Beispiel in Ghana sind multilinguale Gemeinschaften üblich. Um die wechselseitige Verständigung zu sichern, spielt die Mehrsprachigkeit fast aller erwachsenen Bewohner in beiden Ländern eine wichtige Rolle. Ein Fehlen selbst passiver Kenntnisse wenigstens von zwei, drei anderen Sprachen wird als eine wesentliche Einschränkung für die sozialen Beziehungen im öffentlichen und privaten Raum wahrgenommen.
Dieser Sprachengebrauch muss auch solche Sprachen einschließen, die typologisch nicht eng verwandt sind, also gerade nicht zur gleichen Sprachfamilie gehören. Im Fall von Georgien spielen die zu drei verschiedenen Sprachfamilien gehörenden kaukasischen Sprachen eine in dem jeweiligen Raum wichtige Rolle. Das Kartwelische im Süden, zu dem auch das Georgische zählt, das Abchasisch-Adygisch im Nordwesten und das Nachisch-Dagestanisch im Nordosten. Außerdem sind viele Bewohner aus dem ethnisch ebenfalls reichen Schwarzmeerraum schon vor vielen Generationen zugewandert. Sie sprachen und sprechen teilweise bis heute eine Sprache aus der Gruppe der indogermanischen oder der semitischen Sprachfamilien oder eine der zahlreichen Turksprachen.
Am Beispiel von mehrsprachigen, auch pontisches Griechisch sprechenden Georgiern, einer indogermanischen Sprache, und anderen, die die Turksprache Urum gebrauchen (Höfler 2020; Loladze 2021; Skopeteas/Jungbluth 2014-16; Jungbluth 2018), wobei auch das Russische, eine semitische Sprache, im postsozialistischen Raum nach wie vor eine Rolle spielt, werde ich einen Einblick in solche Diskursstellen geben, die diesen mehrsprachigen Gebrauch von auch typologisch fern liegenden Sprachen zeigen. Voneinander lernen, wie wir mit Mehrsprachigkeit umgehen können, darauf kommt es an in Georgien und in Deutschland, in Tbilisi und in Berlin-Brandenburg. Wir haben das gemeinsame Ziel „Zukunft zu erben“.
Berikashvili, Svetlana; Lorenz, Johanna; Schröter, Stefanie; Skopeteas, Stavros. 2016. Pontic data collection, Version 2.0. Bielefeld: Bielefeld University (corpus resource: TLA, Donated Corpora, XTYP Lab).
Höfler, Concha Maria. 2020. Boundaries and Belonging in the Greek Community of Georgia, Baden-Baden: Nomos.
Höfler, Concha Maria; Böhm, Stefanie; Jungbluth, Konstanze; Skopeteas, Stavros. 2016. Urum and Pontic Greeks: Communities and Language Situation IN: STUF Language Typologies and Universals, 69(2): 171-174.
Jungbluth, Konstanze (2016 georg.; 2018 dt.): Sprechen – sprach – gesprochen: Deutschsprachige Minderheiten in Brasilien und griechisch- und urumsprachige Griechen in Georgien, In: Vera Eilers; Stefan Serafin (eds.), Vivat diversitas – Romania una, linguae multae. Stuttgart: IBIDEM, 293-311.
Translated into Georgian by Nino Tsikhishvili; published in peer reviewed Journal of the Georgian Academy 2016, ISSN 1987-7323, Language and Culture Nr. 16, 40-52.
Loladze, Nika. 2021. Migratory Movements of Georgia's Greek Community, Bern/Berlin/Warsawa: Peter Lang.
Skopeteas, Stavros; Jungbluth, Konstanze. DFG 2014-16. The Impact of current transformational processes on language and ethnic identity: Urum and Pontic Greeks in Georgia.