Begüm Kardes
(Hacettepe Universität Ankara, Türkei)
Der Globalisierungsdiskurs in hybriden Literaturen von
georgien- und türkischstämmigen Autorinnen:
Haratischwilis Das mangelnde Licht und Aydemirs Dschinns im Vergleich
Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1989/90 ist die Welt einem Prozess der Globalisierung ausgesetzt, der mit erheblichen Entwicklungen in den Bereichen Kommunikation, Transport, Technologie und vor allem Digitalisierung einhergeht. Auch mehrfache Wanderungsbewegungen sind unter diesen Umständen im globalen Zeitalter keine Seltenheit mehr. Auf die bereits im Jahr 1961 beginnende Arbeitermigration nach Deutschland folgt in diesen Jahren eine weitere Migrationswelle aus den ehemaligen Sowjetstaaten, darunter Georgien. Wie alle wichtigen Ereignisse der Menschheitsgeschichte, finden auch diese Migrationsphänomene, der Globalisierungsprozess und die damit zusammenhängenden kulturellen, sozialen und ökonomischen Umwälzungen einen Platz in der Literatur. Insbesondere in Werken von Autorinnen und Autoren mit Migrationserfahrung sind diese sozio-kulturellen Entwicklungen, die veränderte Raum-Zeit-Wahrnehmung, Identitätskonflikte, globale Krisen vorzufinden. Auf welche Art und Weise die Globalisierung und ihre Folgen in solch hybriden Werken behandelt werden, soll in diesem Beitrag anhand von im Jahr 2022 erschienen Werken zweier wichtiger Autorinnen in der deutschen Literaturlandschaft analysiert werden: Fatma Aydemirs Dschinns und Nino Haratischwilis Das mangelnde Licht.
Fatma Aydemir, geboren 1986 in Karlsruhe, studiere Germanistik und Anglistik an der Goethe-Universität in Frankfurt. Für ihren Debütroman Ellbogen (2017) erhielt sie den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Franz-Hessel-Preis. Ihr zweiter Roman Dschinns handelt von sechs Menschen, die in ihrem Wesen verschieden, dennoch miteinander verwandt sind. Hüseyin, ein ganz normalertürkeistämmiger Familienvater, der 30 Jahre lang gearbeitet hat, nur um seinen Traum von einer Eigentumswohnung in Istanbul zu erfüllen, stirbt an einem Herzinfarkt am Tag des Einzugs.
Nino Haratischwili, geboren1983 in Tiflis, besuchte dort ein deutsches Gymnasium. Erstmals kam sie 2003 für ein Studium der Theaterregie nach Hamburg. Mit ihrem Debütronan Juja (2010) gewann sie 2011 den Debütpreis des Buddenbrookhauses Lübeck. Nach etwa vier Jahren erlangte sie mit ihrem Roman Das achte Leben (für Brilka) (2014) die eigentliche Berühmtheit. Darauf folgten 2018 Die Katze und der General und 2022 Das mangelnde Licht.
Das mangelnde Licht setzt Ende der 1980er Jahre an und erzählt von vier Freundinnen, die im jungen Georgien in der Tbiliser Altstadt zusammenfinden. Wie in den letzten beiden Romanen Haratischwilis wird auch hier ein Spagat in den Westen gemacht, diesmal nach Brüssel des Jahres 2019. Der Roman thematisiert zugleich den Bürgerkrieg im ehemaligen Sowjetstaat, die Gewalt auf den Straßen, die Stromausfälle etc.
Ziel dieses Beitrags ist es, in beiden hybriden Literaturen eine vergleichende Analyse zu globalen Merkmalen wie der wechselnden Erzählperspektive, die Vielsprachigkeit, die Pluralität der Perspektiven, Orte, der Menschen und Kulturen und die Raum-Zeit-Verdichtung aufzustellen und der Frage nachzugehen, wie sich die Globalisierung auf die einzelnen Menschen, (Fern-) Beziehungen, Kulturen, Kommunikation, Sprache auswirkt.