Lora Taseva
(Institut für Balkanistik & Zentrum für Thrakologie/Bulgarische Akademie der Wissenschaften)
Griechisch-slavische Übersetzungen als Kulturtransfer:
Das Lehrevangelium von Konstantin von Preslav
Das Lehrevangelium ist eine Sammlung aus 51 Predigten für die Sonntage des Kirchenjahres und besteht hauptsächlich aus übersetzten Texten patristischer Autoren – meistens von Johannes Chrysostomos. Es wurde Ende des 9. Jh. von Konstantin von Preslav zusammengestellt und an die neu bekehrten Bulgaren gerichtet. Zu jener Zeit hatte die altkirchenslavische Sprache nur ca. drei Jahrzehnte Geschichte, und das Auditorium von Neophyten verfügte weder über ausreichendes Wissen bezüglich der christlichen Weltanschauung noch hinsichtlich der byzantinischen Welt, die auf der Antike beruhte. Diese kulturellen und sprachlichen Umstände haben die Aufgabe des Übersetzers deutlich erschwert.
Gegenstand des Vortrags sind ein paar Begriffe, die mit dem gesellschaftlichen Leben in der Antike verbunden sind: πολιτεία, ψῆφος, ἀριστοκρατέομαι, ὀλιγαρχέομαι. Auf der Grundlage von zweisprachigen Wörterverzeichnissen zum Lehrevangelium, die im Rahmen eines vom Bulgarischen Fonds für wissenschaftliche Forschungen finanzierten Projekts (КП-06-Н50/2) erstellt wurden, wird die Übersetzungstechnik Konstantins analysiert. Die Untersuchung fokussiert auf seine Strategien bei der Wiedergabe dieser Wörter in verschiedenen Kontexten. Seine Lösungen werden im Vergleich mit anderen Übersetzungen aus dem 9. bis 14. Jh. betrachtet, um festzustellen, welche der von ihm eingeführten Entsprechungen es geschafft haben, sich in der Literatursprache durchzusetzen, und welche in diesem Werk isoliert geblieben sind.