Den 1 Dezember, 2022

Plenum

TSU, Die Aula - 11.00-11.20

Dieter D. Genske
(Hochschule Nordhausen, Deutschland)

Abich, Humboldt und der Kaukasus –
ein west-östliches Abenteuer

Hermann Abich war ein bedeutender deutscher Geologe des 19. Jahrhunderts, der sein gesamtes Forscherleben dem Kaukasus widmete. Heute fast vergessen, noch Zeitgenosse Goethes, gefördert von Alexander von Humboldt, verbrachte er drei Jahrzehnte in den kaukasischen Bergen, um diese zu erkunden und ihre Entstehung zu verstehen. Zwar ermöglichte die Grusinische (Georgische) Heerstraße von Tiflis nach Wladikawkas am Terek eine Durchquerung des Kaukasus, doch waren abgelegene Dörfer und Täler nur mit dem Pferd oder zu Fuß zu erreichen. Es bestand immer Gefahr, in lokale Konflikte verwickelt oder sogar angegriffen zu werden, weshalb die Feldarbeiten oft unter militärischem Schutz durchgeführt werden mussten. 1859 verlegte Abich seinen Wohnsitz nach Tiflis. Während seiner Feldstudien blieb er in ständigem Kontakt mit Wissenschaftlern in der ganzen Welt, tauschte Neuigkeiten und Erkenntnisse aus, beriet sich und erstattete Bericht. Viele seiner Schlussfolgerungen gelten noch heute, doch interpretierte er auch eine Reihe von Zusammenhängen und Phänomenen falsch, in der Tradition der damaligen Geognosten. Dies betrifft insbesondere die Entstehung und den Aufbau des Großen und des Kleinen Kaukasus sowie die Rolle des Transkaukasus. Alfred Wegener hätte den Schlüssel zur Lösung der Kaukasusfrage in der Hand gehabt, doch wurde der Polarforscher erst wenige Jahre vor Abichs plötzlichem Tod in Graz geboren. In diesem wissenschaftshistorisch motivierten Beitrag wird auf das Lebenswerk Abichs eingegangen, seine unermüdliche Feldarbeit, seine Kontakte zu Wissenschaftlern und Politikern, die kritische Selbstreflexion seiner Ergebnisse und seinen prägenden Einfluss auf die europäisch-kaukasische Wissenschaftskultur.